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Der Anfang

Ein junges Handwerk für alte Probleme

Nur wenig mehr als einhundert Jahre jung ist die Idee, in Deutschland Reinigungs- und Pflegearbeiten gewerbsmäßig zu organisieren.

Gereinigt wird schon immer - denn es ist nun mal eine Tatsache im menschlichen Leben, daß zwar alles "von selbst" verschmutzt, aber nie von allein wieder sauber wird.
Seit Beginn menschlicher Kultur und Zivilisation gibt es das Problem der Schmutzbeseitigung und werterhaltenden Pflege. Es wurde im wesentlichen jedoch nicht von Leuten angepackt, die - wie der moderne Gebäudereiniger - eine handwerkliche Grundlage mit allen erforderlichen Kenntnissen besaßen.
Die Vorläufer der heutigen Gebäudereiniger sind wohl in der Folgezeit des 30-jährigen Krieges zu suchen.
In der "Geschichte der Handwerksberufe" ist über die Anfänge der Glas- und Gebäudereiniger zu lesen, daß nach dem Dreißigjährigen Krieg in Norddeutschland die "Wand- und Wagenwäscher" mit Pferdewagen, bepackt mit Leitern, Bürsten und Besen, Wasser- und Sandkübeln, in die Städte fuhren. Sie reinigten dort die Backsteinhäuser der Bürger.
 

 

1900

Diese Vorläufer der Gebäudereiniger betätigten sich in der Hauptsache ambulant.

Im Sommer wuschen Sie die Wände, und im Winter betrieben sie kleine Fuhrgeschäfte.
Zumeist unterhielten sie ein Fuhrunternehmen oder hatten einen kleinbäuerlichen Haupterwerb.
Die Reinigungsarbeiten führten sie anfangs nur vor den Feiertagen aus, vor Ostern und Pfingsten. Erst allmählich verteilten sich ihre Dienstleistungen über mehrere Monate im Jahr; auch folgten sie immer häufiger vorherigen Bestellungen.
Als Waschmittel wurde damals die Panamarinde (Quillajarinde) verwendet.
Die "Wandwäscher" soll es bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gegeben haben.
Die Reinigungshäufigkeit, mit vorheriger Bestellung, steigerte sich weiter mit zunehmender Verstädterung bzw. Anwachsen eines bürgerlichen Bewusstseins. Handwerkliche Tradition konnte jedoch bei einer so einfachen Tätigkeit noch nicht entstehen.
Um die Jahrhundertwende gab es bereits eine Anzahl junger Menschen, die bei den alten Firmen gelernt und gearbeitet hatten und die nun in der stetig wachsenden Stadt ihr Glück versuchten und sich selbständig machten.
 

 

Die Industrialisierung

Die beginnende  Industrialisierung begünstigte die Entwicklung eines eigenständigen Handwerks und änderte auch in diesem Handwerksbereich die Anschauungen. Fortschreitende Arbeitsteilung gab auch dem „Dienstleistungssektor“ Chancen, ein eigenes Profil zu entwickeln. Gefragt war damals wie heute der ständige Anpassungsprozess, die Flexibilität der Unternehmen.
So war es 1870 ein Franzose in Berlin, der zum ersten Mal Reinigung von Fenstern und Fassaden gewerbsmäßig betrieb. Marius Moussy hatte schon bald Nachfolger, bereits 3 Jahre später gab es die ersten ,,Unternehmen" dieser Branche in Berlin. Die Firma Robert Staehr z.B. gründete gleich Filialen in Paris, London und New York.
Ein angelernter Arbeiter des Veteranen Moussy, Ernst Schröder, gelangte auf seiner Wanderschaft, der früheren Walz, nach Frankfurt und nahm hier 1883 sein Gewerbe auf. Er reinigte vorerst Erkerscheiben im Abonnement und hatte es sicherlich recht schwer einen Kundenstamm aufzubauen. Gut geputzte Schaufensterscheiben zeigten sich jedoch als wirksames Werbemittel, zudem kamen Aufträge aus Privathaushalten hinzu.
Mit der Gründung weiterer Firmen zwischen 1890 und 1909 kam auch der echte Konkurrenzkampf mit ersten Preiskämpfen, als es so manchem schon an die Existenz ging.
Im Jahre 1901 kam das erste Fachblatt, das Zentralblatt der Reinigungsinstitute Deutschlands", heraus.
Im selben Jahr wurde auch der erste "Verband der Reinigungsunternehmen Deutschlands" gegründet, dies vor dem, so der Vereinszweck, zur Pflege der Kollegialität und des Gemeinschaftsgeistes.
 

 

Der 1. Weltkrieg

Den Rückschlag brachte der 1. Weltkrieg, es mangelte an Arbeitskräften, die waren ja im Feld, und an Materialien. Trotzdem weiteten sich die Tätigkeitsfelder aus. Reinigung von Eisenbahnwagen, Fußbodenreinigung, Fassadenreinigung und dergleichen kamen hinzu. Auch die Technik und die Chemie begann sich für diesen Dienstleistungsbereich zu interessieren.

Die Zeit der Schlemmkreide, Schwamm, Lappen und einfacher Sprossenleiter wurde langsam aber sicher abgelöst durch Fahr- bzw. Feuerwehrleitern, Sandstrahlgebläse, Staubsauger (mal mit Dampf- aber auch schon mit elektrischem Antrieb) sowie Parketthobelmaschinen.
Erste regionale Vereinigungen der Reinigungsunternehmen wurden gegründet.

Ein anderes wichtiges Ereignis fiel in das Jahr 1905: Der Magistrat der "Königlichen Haupt- und Residenzstadt München" beauftragte als erste öffentliche Instanz ein Reinigungsinstitut mit der täglichen Reinigung eines Schulgebäudes.
Der erste Weltkrieg zerstörte viele Pläne. Manchen Frauen war es möglich, trotz großer Schwierigkeiten das Gewerbe ihres Mannes fortzuführen, indem sie sich selbst einsetzten, oft unter harten Bedingungen. Nach Kriegsende begannen die Heimkehrenden sofort damit, ihr Geschäft wieder auf- und auszubauen, bis dann im Jahre 1927 die Inflation das wieder Aufgebaute zunichte machte.
Neue Interessenten suchten sich in der Glas- und Gebäudereinigung zu etablieren. Man ging mit billigen Angeboten in den Kundenstamm der einzelnen Unternehmen und es gab in den Zusammenkünften oft große Auseinandersetzungen.
Durch den Zusammenschluss in Vereinigungen wollte man Einigkeit erreichen, und daß das Gewerbe zum Handwerk erhoben würde.  1925 wurde in Sachsen das Gewerbe als Handwerk anerkannt und 1927 folgte Bayern. Dort mussten nunmehr Gesellen- und Meisterprüfungen im Glas- und Gebäudereinigerhandwerk abgelegt werden, als Voraussetzung für die Gründung eines eigenen Betriebes.
Damit war auch das Ziel gesetzt, die Anerkennung im Handwerk auch in Preußen zu erreichen.
Im Juni 1933 wurde das Handwerk gleichgeschaltet und auf die nationale Einheit ausgerichtet.
 

 

Der 2. Weltkrieg

1934 schließlich wurde das Gebäudereiniger-Handwerk als Vollhandwerk anerkannt und damit auch zu einem vollwertigen Lehrberuf erklärt.

Die am 15.6.1934 erlassene Verordnung wies unter Nr. 22 der Positivliste der Handwerksordnung dieses Gewerbe aus.
Es folgten 1935 die Gründungen der Zwangsinnungen unter der bewenden Herrschaft des Hakenkreuzes. Die nun einsetzende erste echte Blütezeit des Handwerks wurde sehr brutal durch den 2. Weltkrieg gestoppt.
1939 machte der Krieg allem ein jähes Ende. Die Kriegswirtschaft mit der Verknappung des Arbeitsmaterials und der gleichmäßigen Versorgung der Betriebe war eine schwere Aufgabe der jeweiligen Innungen. Viele Betriebsinhaber zogen in den Krieg. Wieder mussten die Frauen der einzelnen Inhaber zum Fensterleder und zur Leiter greifen und hielten so eine Vielzahl der Betriebe aufrecht.
Der Mai des Jahres 1945 brachte die Kapitulation. Man stand vor dem Nichts. Fast alle Städte waren ausgebombt und leer. Man versuchte allmählich wieder auf den Ruinen und dem Chaos neu zu beginnen.

Der Wiederaufbau auch im Gebäudereiniger-Handwerk lag nicht zuletzt auf den Schultern der Frauen. Traditionell arbeiteten sie schon immer im Betrieb des Mannes oder des Sohnes mit, doch nach 1945 kam ihrer Tatkraft besondere Bedeutung zu. Die Innungen versuchten durch rationierte Fensterlederausgabe wenigstens einige Materialien unter die verbliebenen Betriebe zu verteilen. Die ersten neuen Gehversuche waren sicherlich nicht einfach, doch mit der fast fieberhaft zunehmenden Bautätigkeit, erlangte auch das Gebäudereiniger-Handwerk immer neue Betätigungsfelder. Moderne Bauten erforderten und erfordern auch modernisierte Reinigungstechniken.
Das Handwerk bewies auch hier seine große Flexibilität und zeigte Mut, auch einmal neue Wege zu gehen.
 

 

nach 1949

1949 wurde die unbeschränkte Gewerbefreiheit eingeführt. Jeder konnte jedes Handwerk ergreifen, ob er Fachmann war oder nicht. Das brachte eine Menge Unannehmlichkeiten.

Im August 1950 hatte der Innungsverband zu einem Arbeitstag nach Wiesbaden eingeladen. Es wurde der Gründungstag des Zentralverbandes mit dem Vorsitzenden Wieprecht aus Köln. 250 Innungs Obermeister waren Abgeordnete des westdeutschen Gebäudereinigerhandwerks.
Zu diesem Zeitpunkt betrug der Umsatz des Handwerks bei 10000 Arbeitskräften 20 Millionen DM. Der Facharbeiterlohn betrug zu dieser Zeit 1,40 DM.

Die 5oer Jahre waren gezeichnet durch den Aufbau der im Krieg zerstörten Städte. Das übertrug sich auch auf das Gebäudereiniger-Handwerk. An alle Betriebe wurden große Anforderungen gestellt. Die Betriebe wuchsen, die Umsätze stiegen. Viele machten sich selbständig, bedingt durch die Gewerbefreiheit.
1953 wurde das Handwerk neu geordnet. Die Handwerksordnung und neue Satzungen der Innung wurden beschlossen. Der große Befähigungsnachweis wurde wieder eingeführt. Ohne diesen konnte sich niemand seitdem selbständig machen und die bisher Selbständig gewordenen wollte man für den Zusammenschluss im Handwerk gewinnen. Für die damit zusätzlich verbundenen Arbeiten waren nicht genug Kräfte vorhanden. Erst im Laufe der 6oer Jahre konnte dieser Zustand überbrückt werden.
In dieser Zeit legten viele junge Menschen ihre Meisterprüfung ab.

Im Mai 1963 fand der Bundesverbandstag und die IGEBA (Internationale Gebäudereiniger-Ausstellung) in Frankfurt in der Rhein-Main-Halle statt.
Es war ein voller Erfolg - Berufliche Fortbildung, Ausbau der Fachschule, Beratung der Betriebe, Betriebs- und Unternehmungsberatung, Tarifpolitik, Versicherung, Werbung noch außenstehender Unternehmer U. a. wurde beschlossen.

Es ging rund. Im wahrsten Wortsinn: rund um die Uhr!

Ein Dienstleistungsbereich, bei dem sich schon bald deutlich zeigte, daß mit dem Beginn der gewerblichen Organisation eines Handwerks eine Entwicklung eingeleitet worden war, die sich untrennbar mit dem Fortschritt der Industrialisierung verband.
Es zeigte sich bald, daß es wieder aufwärts ging. Die Betriebe wurden größer, bedingt durch die moderne Bauweise und durch die Modernisierung der Betriebe mit Maschinen für die Bodenbearbeitung sowie die hygienische Arbeitsmethode bei den einzelnen Reinigungsvorgängen.

Im Gesamtgebiet Westdeutschlands wurden im Handwerk im Jahre 1969 107.800 Menschen beschäftigt. Der Umsatz betrug im Jahre 1969 972 400 000,- DM, fast 1 Milliarde.

Aus diesen Zahlen kann man ersehen, welch gewaltigen Aufschwung das Gebäudereiniger-Handwerk erlebte.
 

 

 

teilw. entnommen aus:
Die Gebäudereiniger,  Junges Handwerk für alte Probleme
Steinbock-Verlag, 1980, Hannover
ISBN 3-921951-09-7

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